Die Fußballwelt staunt derzeit zu Recht über die belgische Fußballnationalmannschaft, die in der Qualifikation mitreißenden Fußball gespielt hat, und völlig verdient den ersten Tabellenplatz ohne Niederlage erreicht hat. Mit 8 Siegen (u.a. in Kroatien) und 2 Unentschieden hat die Mannschaft von Trainer Marc Wilmots die Qualifikation für Brasilien souverän gemeistert. Für viele Experten sind sie einer der Geheimfavoriten auf den Titel.
Im Juli 2013 hat Belgien erstmals die TOP-10 der FIFA-Weltrangliste erreicht, inzwischen steht man auf einem sensationellen fünften Platz. Damit findet man sich bei der Auslosung der WM-Gruppen in Topf 1 wieder, und gehört damit mit Nationen wie Brasilien, Deutschland und Spanien zu den Gruppenköpfen. Die Mannschaft ist gespickt mit zahlreichen Topstars aus den großen europäischen Ligen, vereint die Qualitäten alter Haudegen mit dem Schwung einer neuen, jungen und talentierten Spielergeneration, deren beste Jahre erst noch bevor stehen.
Doch wie konnte es das kleine Belgien schaffen, eine dermaßen starke Mannschaft zu entwickeln? Belgien gehört nicht gerade zu den stärksten Fußballnationen Europas, auch in der Vergangenheit haben die Roten Teufel nicht gerade Bäume herausgerissen. Der zweite Platz bei der EURO 1980 und der vierte Platz bei der Maradona-WM 1986 zählen zu den größten Erfolgen der Belgier. Die letzte Teilnahme an einem großen Turnier war die WM 2002 in Japan/Südkorea, bei der man im Achtelfinale gegen Brasilien ausschied. Schon kurz nach diesem Turnier leitete der belgische Fußballverband eine Kehrtwende in seiner bisherigen Politik ein. Wollte man vermeiden, dass Belgien noch weiter hinter die großen Fußballnationen zurückfällt, musste etwas geschehen.
Zusammen mit den großen Vereinen, wie dem RSC Anderlecht, Standard Lüttich und dem FC Brügge, aber auch kleineren Vereinen wie Germinal Beershot, investierte man kräftig in die Jugendarbeit, wobei man insbesondere Kontakte nach Deutschland, Frankreich und in die Niederlande nutzte. Germinal Beershot kooperierte beispielsweise mit der legendären Talentschmiede von Ajax Amsterdam. Diese Investionen in die Jugendarbeit zahlen sich nun aus. Top-Talente wie Marouane Fellaini, Kevin de Bruyne, Romelu Lukaku, Jan Vertonghen oder Eden Hazard spielen bei großen englischen Clubs, die Nummer 1 bei Atletico Madrid ist Thibaut Courtois. Axel Witsel von Zenit St. Petersburg gehört ebenfalls zu den Top-Talenten. In der Abwehr besitzt man mit den “alten” Haudegen Daniel Van Buyten und Vincent Kompany Spieler mit großer internationaler Erfahrung.
Die Generation um Fellaini erreichte 2007 mit der belgischen U-21 das Halbfinale der U-21 Europameisterschaft in den Niederlanden. Inzwischen befinden sich die meisten Spieler von damals im genau richtigen Alter, um auf der einen Seite bereits wichtige internationale Erfahrung zu besitzen, auf der anderen Seite aber erfrischenden von jugendlichem Elan geprägten Angriffsfussball zu spielen. Der Kern der Mannschaft spielt auf Verbandsebene schon länger zusammen, Belgien ist also trotz des niedrigen Durchschnittsalters eine eingespielte Truppe. Was vor allem auffällt: Die meisten Spieler des aktuellen Kaders spielen in den großen europäischen Ligen. Die heimische Liga ist zu schwach, um das Grundgerüst einer Mannschaft darzustellen, die mit den Top-Teams der Welt mithalten möchte.
Die Arbeit, die in die Jugendabteilungen gesteckt wurde und wird, zahlt sich für Belgien enorm aus. Natürlich ist keineswegs gesagt, dass Belgien immer eine derart starke Truppe haben wird, dennoch werden wohl auch in Zukunft belgische Spieler bei den europäischen Top-Clubshoch im Kurs stehen. Die fundamentalen Änderungen in der Jugendarbeit lassen also tatsächlich den Beginn einer neuen Ära erahnen. Aber egal wie das Team in Brasilien abschneiden wird, durch die eingeleiteten Maßnahmen in der Vergangenheit ist der große Gewinner des letzten Jahres der belgische Fußball.